Frau Gyger, was bedeutet für Sie spirituelle Bewusstseinsbildung in Politik und Wirtschaft?
Pia Gyger: Das bedeutet für mich, dass Menschen, die an entscheidenden «Machthebeln» sitzen – vor allem in der Wirtschaft, denn sie prägt und konstituiert die Welt heute mehr als die Politik – eine ganzheitlichere Sicht bekommen. Spiritualität ist für mich in der allgemeinsten Interpretation eine möglichst grosse Ganzheitlichkeit, eine grössere Sichtweise, die nur erwerbbar ist über die Öffnung von neuen Bewusstseinsräumen in uns selbst. Das geht über die rationale Intelligenz hinaus. Doch alles Wissen ist in uns, das kennen alle spirituellen Traditionen und alle haben auch Wege dazu entwickelt. Ich erachte es als ganz dringend, betrachtet man die Lage der Welt, dass so genannte «Leader» ganzheitlicher denken und handeln.
Diese Meinung teilen viele Menschen, aber die Politik ist starr und von der Wirtschaft geprägt. Wie kann diese Haltung dort eingebracht werden?
Man kann es nicht einfach anordnen, das ist klar. Nehmen wir das Lassalle-Institut als Beispiel: Wir haben mit dieser Einrichtung, die damals noch Institut für spirituelle Bewusstseinsbildung in Politik und Wirtschaft ISPW hiess, einfach begonnen etwas anzubieten, welches diese Disziplinen mit Spiritualität vereint. Natürlich mit einem möglichst guten Marketing, man muss diese Instrumente auch nutzen. Letztlich ist das jedoch sekundär. Vielmehr greift hier ein kosmisches Grundgesetz: Jeder einzelne Organismus, auch jede Institution, ist wie eine Antenne, die wie das Universum wirkt. Wenn die Zeit reif ist, beginnt es tief zu greifen; und am Anfang reift es langsam.
Ist es also nötig, will man in der Wirtschaft etwas bewegen, dass man auch »diese Sprache spricht«?
Das ist ein pädagogisches Grundprinzip, man muss die Sprache der Menschen sprechen, die man erreichen will.
Erreichen – ist das mit Überzeugungsarbeit verbunden?
Ich glaube nicht, dass wir versuchen müssen, zu überzeugen, und dass man damit überhaupt den grossen Erfolg auslösen kann. Echte spirituelle Arbeit gestaltet sich anders. Man beginnt einfach, lässt sich von innen leiten und vertraut darauf, dass das passiert, was passieren muss. Wir haben im Institut nie mit der «grossen Kelle gerührt», sondern im Kleinen, Überschaubaren angefangen. Dennoch erhalten wir gerade in letzter Zeit sehr viele Reaktionen, auch aus dem Ausland. Viele Institutionen wollen sich mit uns vernetzen und in Kontakt stehen. Meine Erfahrung ist die: Wenn es an einem Ort richtig läuft, zieht es an. Dann muss man lernen, mit dieser grossen Welle zu schwimmen. Wer von der Macht der Gedanken weiss, der weiss, dass wir uns nie ohnmächtig fühlen müssen, wenn wir sie nutzen. Und der weiss auch: wir können jederzeit so wirken, dass immer mehr Menschen erwachen.