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Innere Kritiker und Reptilienhirn

Workshop von Anouk Klaes
Workshop von Anouk Klaes

Innere Kritiker und Reptilienhirn

Workshop von Anouk Klaes

Die innere Stimme oder der innere Kritiker möchte uns wie die Angst – gesteuert vom Reptilienhirn – vor Gefahren warnen. Doch viele Menschen leiden sehr unter den oft so quälenden wie lähmenden Gedanken, da es nicht einfach ist, die wahren Hintergründe zu  erkennen. Anouk Claes erklärt die Verhaltensweise des Reptilienhirns und gibt Anregungen für einen guten Umgang mit dem inneren Kritiker.

Menschen leiden häufig unter ihren Gedanken, manche oft, andere seltener. Handelt es sich um sehr destruktive Gedanken, ist es besonders schlimm. Es gibt dafür viele Bezeichnungen und Erklärungsversuche. Einige nennen es den inneren Kritiker, andere sagen, die Ursache liege im fehlenden Selbstwert oder im fehlenden Erfolg, wieder andere schieben es auf die Lebenssituation.

Viele versuchen, den Grund der Gedanken in der Aussenwelt oder in der Vergangenheit zu ermitteln. Danach folgen Wunsch oder Anspruch, diese Gedanken zu eliminieren oder durch innere Arbeit zum Schweigen zu bringen. Ich plädiere für einen versöhnlichen Weg und sehe es aus einer anderen Perspektive. Ich sehe die Gedanken als Teil der Angst und den inneren Kritiker als eine Art modernes Reptilienhirn. So ist das zentrale Thema also die Angst.

Das Gefühl der Angst

Angst unterscheidet sich von den anderen fünf Emotionen Trauer, Liebe, Glück, Wut und Eifersucht (s. auch frühere Ausgaben von Heilen heute), da die Angst keinen spezifischen Ort im Körper besitzt. Ich unterscheide normalerweise zwischen zwei Typen von Angst. Die eine wird von dem Teil unseres Gehirns erzeugt, der häufig als Reptilienhirn bezeichnet wird und die andere ist eine Weiterentwicklung dieser ersten Angst – sozusagen eine modernere Version. In diesem Beitrag werde ich die Reaktionen des Reptilienhirns auch in Verbindung setzen zum inneren Kritiker, dem Reptilienhirn der modernen Zeit. Das heisst, die innere Gedankenstimme ist die nächste Generation oder Form der Angst, angepasst an unser heutiges Leben, aber immer noch nach den Mechanismen des »alten«  Reptilienhirns reagierend. Diesen Weg empfehle ich, um mit den eigenen Gedanken besser zurechtzukommen. Ein tieferes Verständnis für den Ursprung dieser Gedanken ist sehr hilfreich. Die Reaktionen des Reptilienhirns zu verstehen, fällt uns nicht immer leicht, da wir nicht mehr direkt in der Natur leben und das Steinzeit-Dasein weit entfernt von unserem modernen Leben ist. Deshalb ist es schwierig, bei bestimmten Gedanken den Zusammenhang mit dem Reptilienhirn zu erkennen oder zu verstehen. Unsere Körper haben aber  immer noch die gleichen Bedürfnisse wie damals, Sauerstoff, Schutz vor ungünstigen Wetterbedingungen, Nahrung usw. Damit man den inneren Kritiker besser verstehen und auch den Inhalt seiner Gedanken besser nachvollziehen kann, beschreibe ich ausführlich, wie sich der innere Kritiker auf das Reptilienhirn bezieht.
Meine Erklärungen basieren auf meiner persönlichen Wahrnehmung des Reptilienhirns bei den Menschen. Und die Ratschläge, die ich zum Umgang mit Ängsten gebe, resultieren aus vielen Gesprächen mit der Angst. Das heisst: Ich empfinde Angst als Beschützer. Dasselbe gilt in dem Fall für den inneren Kritiker, er möchte mich, genauso wie das Reptilienhirn, vor Schlimmem bewahren. Ich sehe Angst als einen Teil von mir, mit dem ich sprechen kann. Sie denkt ganz anders als ich. Ich habe die Angst personalisiert, um zusammen mit ihr, nicht ohne sie, einen Weg zu finden.
Mit dem Reptilienhirn spreche ich nicht, sondern spüre, wie es sich verhält. Der innere Kritiker warnt permanent vor möglichen Gefahren, die lauern könnten, natürlich nicht vor Tigern, sondern vor Dingen des modernen Alltags. Der innere Kritiker lässt zwar mit sich diskutieren, meist trägt das aber keine Früchte und ist redundant.

Reptilienhirn – so alt wie die Menschheit

Der Begriff Reptilienhirn ist bekannt aus der Gehirnforschung. Das Reptilienhirn ist einer der ältesten Teile unseres Gehirns und steuert unter anderem das vegetative Nervensystem. In der Literatur werden auch andere Begriffe wie zum Beispiel Stammhirn verwendet, ich bevorzuge jedoch den Ausdruck Reptilienhirn, weil er am deutlichsten abbildet, worum es geht. Meine Beschreibungen des Reptilienhirns und der Phänomene, die meiner Ansicht nach diesem Gehirnteil zugeordnet werden können, basieren alle auf meiner Wahrnehmung. Ich erwähne das deshalb immer wieder, weil das Reptilienhirn von vielen Autoren unterschiedlich beschrieben wird. Von grosser Bedeutung ist mir, das Reptilienhirn als etwas völlig separates, von allen anderen Instanzen, zu betrachten. Als Beispiel eine Situation aus der Perspektive des Reptilienhirns: Stellen Sie sich vor, Sie sind draussen in der Natur. Es gibt Berge und das Meer, und Sie haben ein Fernglas. Das Reptilienhirn sorgt dafür, dass Sie überhaupt am Leben bleiben, um das Fernglas in der Hand halten zu können. Es achtet darauf, dass Sie nicht am Berg abstürzen, nicht ins Wasser fallen. Es ist so vorsichtig wie möglich, weil es viele Gefahrenquellen gibt. Wenn Sie durch das Fernglas schauen, reagieren Sie auf das, was Sie erblicken, mit Gefühlen, Gedanken und eventuell auch mit geistigen Inhalten wie Bilder oder Inspiration. Vielleicht bemerken Sie einige Naturwesen.
Das Reptilienhirn hat biologisch den Vorrang vor allem anderen. Denn um überhaupt die schöne Landschaft, die Gedanken, die Gefühle zu erleben, müssen Sie erstmal am Leben bleiben. Das Reptilienhirn funktioniert vollautomatisch, das bedeutet, dass wir uns gar  eine Gedanken darum machen müssen. Wir müssen uns nicht erinnern, dass wir essen müssen, der Hunger meldet sich. Alle anderen Instanzen, die ich als Gefühle, Ego, Geist bezeichne, bekommen von den Sorgen des Reptilienhirns nicht viel mit. Hat das  Reptilienhirn Bedenken, erzeugt es ein Angstgefühl. Die Ursache dieser Angst sucht man dann fälschlicherweise oft beim Ego, beim Geist oder auf der Gefühlsebene. Dort wird man den wahren Grund jedoch nicht finden. Das Reptilienhirn ist nicht mit unseren Augen verbunden. Es sieht daher nicht, was wir im Aussen sehen. Es sieht anderes, nämlich unsere inneren Bilder. Um zu verstehen, wie das Reptilienhirn funktioniert, stellt man sich am besten ein Steinzeit-Szenario vor.

Was für das Reptilienhirn wichtig ist

Seine Funktionsweise heute ist noch exakt identisch mit der in der Steinzeit. Es existiert im Reptilienhirn kein Konzept, das auf unser heutiges Leben bezogen wäre. Für das Reptilienhirn spielt es keine Rolle, wie wir leben, sondern nur, dass wir leben, danach richtet es alles aus. Das Reptilienhirn verfügt über mehrere Programme, die ablaufen können. Mehr dazu etwas später. Zuerst beschäftigen wir uns mit der Frage: Was benötigen wir, um unseren Körper am Leben zu erhalten? Hauptsächlich Sicherheit und Nahrung. Sicherheit, um uns – in der Steinzeit – beispielsweise vor wilden Tieren schützen zu können. Was brauchen wir, wenn etwa eine Meute Wölfe angreift? Andere Menschen, alleine wären wir chancenlos. Einen Partner? Schon besser als alleine zu sein, aber immer noch äusserst  gefährlich. Also es müssen mehr Leute sein. Wie viele Menschen benötigen wir, um einigermassen sicher einen solchen Angriff überleben zu können? Ich schätze so um die zwanzig. Dabei ist wichtig zu wissen, dass es nur um die Anzahl der Menschen geht, nicht um die Beziehung, die wir zu diesen Menschen haben. Das Reptilienhirn sorgt nur dafür, dass wir überleben. Erst wenn das gewährleistet ist, können wir Beziehungen und Gefühle erfahren. Um unsere Sicherheit zu gewährleisten, sollten wir also eine Gruppe von etwa zwanzig Menschen um uns haben. Wichtig ist natürlich auch, dass diese Menschen über körperliche Kräfte verfügen, also stark genug sind, die Wölfe abzuwehren. Mit zwanzig Kindern wäre das nicht gewährleistet. Da es vor allem um körperliche Stärke geht, spielen Alter und Geschlecht eine Rolle. Das Reptilienhirn vertritt hier keine Gleichberechtigung.
So bevorzugt das Reptilienhirn Männer, die nicht älter als dreissig Jahre sind, das wären Idealbedingungen. Bleiben wir für die nun folgenden Gedanken weiterhin beim Szenario Steinzeit. Was wir ebenfalls noch zum Überleben benötigen, ist Schutz vor  Witterungseinflüssen. Wir brauchen einen sicheren Ort, der uns vor Kälte, Hitze und anderen klimatisch ungünstigen Verhältnissen schützt: eine Höhle. Für unsere Sicherheit benötigen wir also mindestens zwanzig starke Menschen und eine Höhle. Betrachtet man die heutige Zeit, so ist unschwer zu erkennen, dass jeder ganz viele Menschen um sich herum hat. Die Menschen sind um uns, egal ob wir sie persönlich kennen oder nicht. Es sind also genug Menschen da, aber der »Instinkt« des Reptilienhirns ruht nicht und ist bemüht, eine möglichst grosse Herde zu versammeln.

Die Funktionsweise des »modernen« Reptilienhirns

Schauen wir uns nun die modernisierte Form des Reptilienhirns an, also den inneren Kritiker oder die Gedankenstimme, sehen wir, dass es sich sehr mit den anderen und unserer Rolle in der Gruppe beschäftigt. Was denken die anderen über mich? Mögen sie mich oder mögen sie mich nicht. Wie viele Freunde habe ich, nicht nur in der tatsächlichen Umgebung, sondern auch auf den verschiedenen Plattformen der sozialen Medien? Der Streit mit meinem Freund geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf …
Wir sind sehr beschäftigt mit dem Eindruck, den wir bei anderen hinterlassen. Wir möchten geliebt werden und erfolgreich sein. Das sind alles »normale« Wünsche, schwieriger wird es, wenn die Gedankenstimme andauernd sagt: »Sie mögen dich nicht. Sie
denken, du bist nicht toll, nicht liebenswert.«

Weiterlesen im Heft Nummer 42

 

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